VII
I miss the city I love but
I've been having an affair
With L.A and New
York, Dundee
And Doncaster if I
may dare
Of course I do, of
course I do
But I was meant
for this place, and I was meant for you
The Opener by The Courteeners
Der Bus hält am Flughafen Schwechat, um
die letzten Kilometer in meine Stadt zurückzulegen. Es scheint, als ob es der
Busfahrer selbst nicht erwarten kann, in Wien anzukommen, so fest tritt er auf
das Gaspedal. Nach einer langen, harten Nacht am Stansted Airport
durchflutet mich eine hungrige und grantige Übelkeit. Der Fußboden war doch
auch schon einmal weicher.
Was wird in mir drinnen geschehen, wenn
ich all die geliebten Orte wiedersehe? Im Moment sind wir auf der
ach-so-langweiligen-und-ewig-gleichen Autobahn, passieren die Raffinerie, DEN
Meilenstein vor der Stadt. Der Wind peitscht gegen die verdreckten Fenster.
Mein Kopf steckt im weichen blauen Nackenpolster wie in einem Schraubstock und
ruht auf dem grässlich gelb-orangen Vorhang. Ich lasse das Buch auf meinen
Schoß sinken, schließe die Augen und hole mir verdrängte Bilder in den Kopf.
Ein Lächeln spielt auf meinen Lippen und meine Nase rümpft beim angenehmen
Geruch von Ölprodukten, der aus der Raffinerie dringt. Mein rechtes Bein
überschlägt das linke und mein Blick konzentriert sich auf die nasse Straße.
Mir wird plötzlich bewusst, wie sehr
London es geschafft hat, mich an sich zu gewöhnen. Mein Verstand hat
akzeptiert, dass der Körper versetzt wurde - wie eine Schachfigur auf einem
riesigen Spielfeld - und gibt ihm zu verstehen, sich anzupassen. Das bezieht
sich nicht nur auf die großen, lauten Ausmaße, sondern auch auf winzige Dinge
wie das wertvolle Wissen, an welcher Stelle man in den Overground steigen
muss, um zeiteffizient am Ziel auszusteigen. These things take time.
Auf einmal freue mich auf ein Wurstsemmerl
mit Essiggurkerl, das ich mir im Billa am Praterstern kaufen werde. Mein Bus
fährt an den Gasometertürmen vorbei, tuckert über die Stadionbrücke und bringt
mich endlich nach Erdberg. Die Ubahnstationen sind so unglaublich nah
aneinander und ich lausche aufgeregt dem Wiener Gemunkel der Passagiere. Den
Verkäufer im Supermarkt muss ich zweimal fragen was er gesagt hat, weil ich
nicht daran gewöhnt bin eine deutsche Antwort zu erhalten. Da ist der Ströck
auf der Landstraße, der Handyshop am Radetzkyplatz, die Sandler vor dem
Pratersterngebäude. Die schmutzige, aber charmante Donau.
Wie erwartet, erleide ich an diesem
Wochenende einen Frischluftschock; ich bleibe strikt österreichisch und genieße
Glühwein, Gansl und strahlenden Sonnenschein in den hügeligen Weinbergen. Die
Stille ist fast erdrückend, aber für die Ohren klingt sie wie ein Geplänkel auf
einer spanischen Gitarre. Die Dunkelheit in meinem Dorf ist schwärzer als Kohle
und erschrickt mich wie eine Katze, die aus einer Seitenstraße hervorspringt.
Und mein Kater überwindet seine Ängste und folgt uns beim nächtlichen
Spaziergang, als ob er verhindern will, dass ich gleich wieder abhaue.
Sonntag Abend ist am schlimmsten. Ich habe
jede Sekunde aufgesogen, wie man auch die letzten Reste Alkohol mit dem
Strohhalm aus einem Glas Mojito saugt und wie man verzweifelt einen Kaugummi
kaut, um die letzten Reste Aroma aus ihm herauszupressen. Ich möchte die
Momente mit meinem geistigen Auge einfangen, um später daran nagen zu können, wie ein Hund an
seinem geliebten Knochen. Hatte ich schon verdrängt, dass Distanz vergessen
lässt, wie sehr man gewisse Menschen liebt? Die Sache ist die: man vermisst
jene erst dann, wenn man sie wieder in die Arme geschlossen hat und feststellt,
wie sehr man sie braucht.
Eine Fahrt durch Wiens Straßen erzeugt ein
Kribbeln am ganzen Körper, eine Gänsehaut die man bekommt, wenn eine Violine
leise im Hintergrund spielt. Die alte rot-weiße Straßenbahn ist mein liebstes
Fahrzeug und bringt mich zu Orten voll von Emotionen und Erfahrungen. Bald frohlockt die Ferne wieder und ich lasse meinen Rucksack auf den Sitz des Busses nach
Bratislava fallen. So leicht lässt sie sich jedoch nicht abwerfen, die
gute alte Heimat. Ihre Rufe werden nicht verhallen, wie weit man auch von
Zuhause entfernt ist.