VI
"It is not the walls that make the city, but the people
who live within them. The walls of London may be battered, but the spirit of
the Londoner stands resolute and undismayed."
- George VI
Ihr wartet sicher schon auf ein paar Geheimtips, was
ihr in London alles anstellen könnt. Noch ein Grund für mich, euch damit zu
versorgen, damit ich möglichst bald wieder Besuch von Zuhause kriege. Da es
endlich mit einem Job geklappt hat, muss ich mich beeilen, sonst habe ich bald
keine Zeit mehr für meinen Blog. Frisch motiviert nehme ich also mein kleines
Büchlein aus der Tasche und versorge euch exklusiv mit meinen gekritzelten,
eingekreisten und gelb und rosa angestrichenen Erfahrungen über die wunderbare
Stadt. (Unglaublich, wie schnell sich das Verhältnis zu einem Ort ändern kann,
wenn man berufliche Erfolge feiert.)
Wo beginnt man denn am besten - an welchen Ecken und
Enden? Eines muss gesagt werden: das hier ist kein Leitfaden durch die
touristisch verstopften Straßen Londons, sondern viel mehr bunte Lesezeichen zu
interessanten und sehenswerten Örtchen off the beaten tourist track.
Für die Houses of Parliament, London Eye und Madam
Tussaud's könnt ihr auch Lonely Planet konsultieren. Manche unter euch werden eine historisch
orientierte Besichtigung schätzen, also werde ich damit
beginnen.
Guildhall Art Gallery |
London existierte bereits, bevor die gierigen Römer
über die britische Insel herfielen. Von den römischen Bauten ist logischerweise
nicht mehr viel erhalten, nur mehr ein Stück der alten Stadtmauer und die
Überreste des Amphitheaters von Londinium. Man kann letzteres im
Untergeschoß der Guildhall Art Gallery bestaunen, das übrigens
wie die meisten Londoner Museen umsonst zu besichtigen ist.
Hier komme ich auch gleich zu einer weiteren Empfehlung: besucht das Museum
of London, wenn auch nur ein Funken an historischem Interesse vorhanden
ist, denn ihr werdet auf eine erstaunlich interaktive Weise durch die
Geschichte der Stadt geführt. Wenn die Zeit reicht, werdet ihr das Museum nicht
an einem einzigen Tag durchwandern - Erschöpfungsgefahr! Aber keine Sorge,
das englische Wetter wird schon für mindestens zwei Regentage während eures
Aufenthalts sorgen.
Das Große Feuer von London - mehr dazu im Museum of London |
Dieses Museum gibt euch wunderbare Anhaltspunkte.
Beispielsweise sind in den meisten Londoner Ortsnamen historisch wichtige
Punkte enthalten. Cheapside zwischen St Pauls und Royal
Exchange war für eine lange Zeit ein riesiger Markt, wo man auch schon
in früheren Zeiten internationale Waren erwerben konnte. Hält man sich an die
Seitenstraßen, stößt man auf Wood Street, Milk Street, Bread
Street und Poultry - gibt es einen besseren Hinweis
darauf, was dort verkauft wurde?
Anhand der Ortsbezeichnungen kann man auch die
ursprüngliche Größe der Stadt erahnen: Newgate, Aldgate, Bishopsgate etc.
zeigen auf, wo sich Eingänge in der Stadtmauer befanden; Moorgate weist
darauf hin, dass sich im Norden Londons ein großes Sumpfgebiet erstreckte, das
erst nach und nach trockengelegt wurde. Ortsnamen die auf -ham oder -ton enden,
erinnern an sächsische Befehlshaber (eine der vielen Eroberer Englands im Laufe
der Zeit). An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass slavische Hauptmänner in
der österreichischen Steiermark und in Kärnten ähnlich vorgingen (siehe Zeltweg,
Fohnsdorf etc.; wie schön, dass unsere Geschichte die lang
aufrechterhaltenen Behauptungen der FPK, dass Österreich immer schon deutsch war
widerlegt, aber das nur am Rande.)
England war immer schon ein attraktives Land - die
Kelten, die Römer, die Sachsen, die Dänen, und die Normannen waren kluge Leute
und eroberten es der Reihe nach. Die sprachlichen Spuren dieser Völker sind im
Englischen bis heute erhalten. Denkt nur an die vielen Ähnlichkeiten zu den
anderen germanischen Sprachen und Französisch - Englisch ist eine wahre Fundgrube
für historische Tatsachen.
Tower of London |
Wenden wir unseren Blick doch dem Tower zu, der
eigentlich kein einzelner Turm ist, wie ich es mir immer ausgemalt habe,
sondern eine richtige Festung. Errichtet durch William den Eroberer nach 1066,
war er für lange Zeit der Sitz der Könige, wurde aber auch als Gefängnis für
Verräter benutzt, wenn die Übeltäter auf die erlösende Axt warteten. Henry
Tudors zweite Frau Anne Boleyn und der Theologe Thomas
Moore (Utopia) sind nur zwei Beispiele für die unzähligen, oft
unschuldigen Todesopfer. Kurz: ein Besuch ist trotz der großen Anzahl an
Touristen empfehlenswert, da die Festung unglaublich gut erhalten ist (im
Anschluss kann man dann über die schöne Tower Bridge spazieren
(und beneidenswerte Fotos für Facebook machen). Weitere sehenswerte Paläste
sind Hampton Court Palace oder Windsor Castle (allerdings
außerhalb Londons), wo ihr ein bisschen in die königlich-aristokratische Welt
Londons eintauchen könnt. Der Buckingham Palace ist zwar nett,
aber leider überbewertet und wiederum ein Touristenmagnet.
Cutty Sark |
Bis jetzt haben wir uns nördlich der Themse
aufgehalten. Nehmt jetzt die Jubilee Line ins
südöstliche Canada Water, wenn ihr sehen wollt, welch große Rolle
die Themse in der Geschichte der Stadt gespielt hat. Die Anlegestellen (Docks)
sind immer noch erhalten - so wurden die Waren von Russland in den Russia Dock
geliefert, das kanadische Holz in den Canada Dock und so weiter. Man kann
neben diesen Docks spazieren gehen, an der Themse entlang schlendern oder den
ökologischen Park besuchen und sich danach mit einem köstlichen englischen Ale
in einem der zahlreichen traditionellen Pubs stärken. Vergesst auch nicht, das alte Handelsschiff Cutty Sark in Greenwich zu besuchen - ein weiterer Hinweis, dass London schon vor unserer Zeit ein Zentrum des Welthandels war.
Dennis Severs' House |
Für einen letzten, aber unglaublich wertvollen
historischen Tipp müssen wir wieder ins Stadtzentrum zurückkehren. Ganz in der
Nähe der bekannten Station Liverpool Street befindet sich auf
der Folgate Street das Dennis Severs' House. Ein
(meiner Meinung nach) verrückter Amerikaner namens Dennis Severs kam in den
70er Jahren mit der Hoffnung nach England, dort die Welt der alten Kostümfilme
vorzufinden. London war jedoch auf dem Weg, eine moderne Stadt zu werden.
Enttäuscht kaufte Mr Severs ein Haus auf der Folgate Street und verwandelte das
Innere in etwas, das seiner Vorstellung eines englischen Hauses des 18.
Jahrhunderts entsprach. Er begann, Touristen durch dieses Haus zu führen und
ihnen die Geschichte einer erfundenen Familie zu berichten, die angeblich in
diesem Haus lebte. Im Laufe der Zeit wurde er immer schrulliger, denn er
entfernte sich immer weiter von der Realität und lebte in seiner eigenen Welt. 17 Folgate Street ist nach seinem Tod immer noch zu besichtigen - es ist ein lebendiges
Museum, das uns in eine (fiktive) Vergangenheit transportiert und
möglicherweise unsere eigene Fantasie in einer gruseligen Weise anregt.
Für weitere Infos hier ein Link:
http://www.dennissevershouse.co.uk/
Wenn diese Auswahl an Orten auch nur ein kleiner
Einblick war, hoffe ich doch sehr, dass euer geschichtliches Interesse geweckt
wurde. Es gibt noch so viel zu entdecken in dieser mysteriösen und steinalten
Stadt, die mir immer mehr ans Herz zu wachsen scheint.