Thursday, 10 October 2013

English Drama At Its Finest


V

"Shock and disgust? My, my. I think I have to hear it now."


Ihr müsst verzeihen, dass der letzte Eintrag so tragisch ausgefallen ist. Die schweren Zeiten sind noch nicht ganz vorüber, aber die Wolken lichten sich bereits. Eigentlich wollte ich dieses Mal über Wien schreiben, aber das muss wohl noch warten - ich möchte nicht schon wieder Melancholie in den Mittelpunkt stellen. Allerdings will ich mich nicht ganz von der Tragik und dem Drama abwenden.

Mein Bericht betrifft dieses Mal etwas, das ich in sehr kurzer Zeit ins Herz geschlossen habe; mehr noch: ich bin regelrecht süchtig danach! Diese Sache scheint auf den ersten Blick sehr feminin, ist sie aber keineswegs. Jetzt aber heraus mit der Sprache!

Nun, ich beschäftige mich seit einer Woche intensivst mit der englischen Aristokratie. Vielleicht würden mir die Geschichtsstudenten unter euch stolz auf die Schulter klopfen und mir für mein Interesse in ein so verstricktes, verzweigtes und altes System gratulieren. Peinlich berührt müsste ich sie beschwichtigen und sie darauf hinweisen, dass ich meiner Leidenschaft nicht in einer angesehenen Bibliothek nachgegangen bin. Viel mehr befand ich mich zum Zeitpunkt der Recherche zu Hause vor dem Computer.
Ach was! würden sie sagen. Das Internet hat mittlerweile auch seine Vorteile für die Forschungsarbeit geleistet, es gibt sichere Quellen - suche einmal die Website der Universität so und so, oder hast du das Institut dies und das kontaktiert?

Zu diesem Zeitpunkt würden meine Wangen bereits in einem hübschen Rot glühen. Wahrscheinlich würde ich die Experten weiter schwafeln lassen und brav nicken, damit sie sich wichtig und gescheit fühlen. Wenn ich es schon jenen nicht erzähle, kann ich zumindest vor euch das Rätsel lösen. Die Rede ist von Downton Abbey, einer englischen TV Serie, die vom Leben einer aristokratischen Familie und deren Dienerschaft auf ihrem Landsitz am Beginn des 20. Jahrhundert handelt. Bevor ihr mich gleich verurteilt, lest doch bitte weiter.


Ich weiß. Es klingt unglaublich kitschig - was, werdet ihr mir ankreiden, ist denn so spannend am Leben von Aristokraten - bestand nicht ihr Lebensinhalt aus Teekränzchen, privaten Diskussionen unter Gentlemen, begleitet von einem netten Gläschen Whiskey, Dinnerparties und Jagden im Umland des Familiensitzes? Und womit können schon die Hausmädchen und Butler dieser Familie auftrumpfen, außer dem Abendessen und einem bis zur Perfektion geputzen Haus? Nun ja, das dachte ich auch zu Beginn. Bis mich die Screenwriter vom Gegenteil überzeugten.


Jede gute Serie muss ein Element der Sucht für das Publikum bereithalten. Ich persönlich bin nicht daran interessiert, in sich abgeschlossene Episoden anzusehen. Wenn ich nur an diese Miami Serie denke, stellt sich absolute Langeweile in meinem Gedächtnis ein. Was ich und Mit-Süchtige brauchen, sind folgende Zutaten: Kontinuität, Entwicklung, Drama.



Eines der zahlreichen, luxuriösen Dinner in Downton Abbey.
Lasst mich erklären: Eine Serie zieht uns in ihren Bann, wenn sie andauert, und das mindesten für ein paar Staffeln. Weiters wollen die Entwicklung der Charaktere sehen, den Fortschritt und die Interaktion der Figuren. All das wird jedoch nichts nützen, wenn die Produzenten keinen großzügigen Schuss an Drama einfließen lassen. Das betrifft alle Ereignisse, die im Laufe der Geschichte passieren, sei es Krankheit, Tod, Liebe, Sex, Hochzeit, Intrigen, Mord, Erbangelegenheiten oder Geldverlust. Natürlich sind im Repertoire der Drehbuchautoren noch viele weitere Zuckerl enthalten, die wir, die Zuseher, uns dankbar auf der Zunge zergehen lassen.
Die umwerfende Maggie Smith in ihrem Element.

Downton Abbey, das übrigens viele Auszeichnungen (auch für die Leistung der Schauspieler) gewonnen hat, vereint all diese Kriterien in sich, besser noch, es ist wie ein perfektes Soufflé, das man aus dem Ofen nimmt und langsam mit einem Teelöffel genießt. Die Voraussetzung ist, dass man es sich in der englischen Sprache zuführt. Der nordenglische Akzent der Dienerschaft mundet den Ohren ungemein, denn es ist so als ob wir einen Schweizer mit Akzent Deutsch reden hören. Hinzu kommt der astreine englische Akzent der Herrschaften - oh dear, und das vor allem, wenn Maggie Smith, eine Ikone des englischen Films, die konservative Mutter des Lords zum Besten gibt. Vielleicht kennt ihr sie noch als strenge Professor McGonagall in Harry Potter.

Lady Mary Crawley (Michelle Dockery).
Es sind nicht nur die Diener, die über die Angelegenheiten ihres Lords und der Ladies debattieren; auch die Hoheiten erfahren regelmäßig, was in den unteren Gefielden des Hauses vor sich geht. Damit nicht genug, säen die Autoren Intrigen, bissigen Humor und Hass unter den Akteuren beider Gesellschaftsschichten, die manchmal weit voneinander entfernt scheinen, aber im nächsten Augenblick doch wieder zeigen, dass sie beide gleich menschlich sind. Jede der Figuren ist zwar spezifisch und prägnant und wir schlagen uns schnell auf eine Seite, die uns mehr anspricht.

Ein weiterer wichtiger Suchtfaktor, den die Produzenten von Downton Abbey zu ihrem Glück entdeckt haben, ist der Faktor Zeit. Neben der Entwicklung der Charaktere haben wir diesmal nicht den Eindruck, als würden wir in einer Endlosschleife der Simpsons festhängen. Die Geschichte beginnt in der Post-Edwardian Zeit, nämlich im Jahre 1912, als die Titanic untergeht, und schreitet zügig voran ins neue Jahrhundert. Schon befinden wir uns in den Wirren des 1. Weltkriegs; bald haben die Roaring Twenties begonnen und ständig begleitet uns das Gefühl, dass die Zeit nicht stehen bleibt und Dinge sich ändern. Die erste Emanzipationsbewegung der Frauen ist eines dieser Themen. Die Geschichte spiegelt den Wandel wider; die ungeheure Dekadenz bleibt nicht bestehen und so sehr manche Mitglieder der Familie Crawley samt ihren Bediensteten auch an den Traditionen festhalten und sich gegen die neuen Tendenzen wehren, um so mehr wird bewusst, dass ein veraltetes Gesellschaftssystem an seine Grenzen stößt.

Es wird eine große Zahl an Charakteren geboten.
Ich will jetzt gar nicht mehr verraten. Urteilt selbst und wagt euch in das Anwesen mit seinen jahrhundertealten Räume, den engen Korridoren und den mehr oder weniger sympathischen Charakteren. Was ich durch Downton Abbey gewonnen habe? Nun, das müssen sich alle unter euch fragen, die Serien lieben. Es schenkt uns schöne Stunden der Ablenkung von unseren eigenen Dramen des Lebens.












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