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"A vehicle consisting of two wheels held in a frame one behind the other, propelled by pedals and steered with handlebars attached to the front wheel."
Oxford Dictionaries
Oxford Dictionaries
"When I see an adult on a bicycle, I do not despair for the future of the human race."
H.G. Wells
"Give a man a fish and feed him for a day. Teach a man to fish and feed him for a lifetime. Teach a man to cycle and he will realize fishing is stupid and boring."
Desmond Tutu
Eine Tasse
French-Style Kaffee dampft zwischen mir und dem Keyboard und verströmt seine intensiv-dunklen Aromen.
Während ich trinke, fühle ich beinahe, wie die Synapsen in meiner Festplatte
verbunden werden. Ich bin nun also auch zum Opfer des Getränks der working people geworden.
Ich werfe
einen nervösen Blick aus dem grossen Bürofenster. Gut, mein Fahrrad ist immer noch dort, wo es sein
sollte – mit zwei dicken Schlössern angekettet, also relativ sicher vor allem
Londoner Diebesgesindel - oder?
Komisch,
wenn ich an das alte London denke, fällt mir Dickens' Welt ein – Taschendiebe
und Einbrecher in Opposition zu den mehr oder weniger hilflosen police officers und den Reichen und Schönen Westlondons. Obwohl sich die Stadt seit dem 19. Jahrhundert natürlich stark verändert hat und sich auch die Prioritäten verschoben haben, hat sich das alte Diebesvolk hartnäckig gehalten.
Man beachte, dass London Police eine Website
empfielt, die im halbstündigen Takt Updates von neu zu Verkauf stehenden
Fahrrädern in der Stadt liefert. Ist man einer dieser armen Hanseln und
Greteln, denen es mit dem paraten Schlüssel und offenen Mund vor dem
Fahrradstand dämmert, dass sie beraubt worden sind, aktualisiert man nun wie
ein Verrückter diese Website, um sein Eigentum möglicherweise zu finden und in
diesem Fall sofort die Polizei zu kontaktieren. (Dan hat bereits ausreichend Erfahrung diesbezüglich gemacht).
Jedem
Radfahrer-Neuling in London sei deshalb angeraten, sein Velo doppelt und
dreifach abzusichern, um allem Übel vorzubeugen - ganz gemäss der Weisheit „Investieren
statt lamentieren“. Ein fellow cyclist erzählte
mir, dass sein Drahtesel sage und schreibe vier Mal gestohlen wurde. Natürlich legte sich der gute Mann nach jedem Raub
bessere Schlösser zu und hatte am Ende die Queen aller Schlösser – ein
Motorradschloss. Diese Geschichte kommt mir vor wie ein Kindercartoon, in dem
der Protagonist am Ende triumphierend und beruhigt schlafen geht, weil er denkt, dass er den Bösewicht nun besiegt hat. Wie wir alle
wissen, verliert Tom jedoch immer, während Jerry die Oberhand behält (und ja - meiner Meinung nach war Jerry der Böse!) Eines
Tages fand mein Bekannter kein Fahrrad mehr vor. Übrig blieb nur mehr das
Motorradschloss, das mit Säure aufgebrannt war.
Ich will
natürlich nicht behaupten, dass London die Hochburg der Fahrraddiebe darstellt.
Wahrscheinlich dürfen gewisse andere europäische Länder diesen Titel für sich in Anspruch nehmen. Allerdings kann
man London auch nicht mit dem braven Wien vergleichen, in welchem ich ein
ganzes Jahr mit einem Schlauchschloss herumdüste, ohne dass dieser nur einmal durchgezwickt
wurde.
Ich habe
erst seit kurzem zu meiner liebsten Art der Fortbewegung zurück gefunden. Ein
halbes Jahr heiße und vollgestopfte Tube trieb mich an manchen Tagen fast zur Weißglut (in
buchstäblichem und übertragenem Sinn). Wenn man drei verschiedene Züge und einen Bus nehmen muss, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man auch alle vier im letzten Moment verpasst. Wer kennt es nicht, dieses Über-die-Treppen-hastende, Leute-aus-dem-Weg-räumende Männchen (wir selbst?) das fluchend vor den zugehenden Türen der Ubahn auf und ab hüpft (an manchen Tagen war ich tatsächlich beinahe so weit).
Mir fällt es auch nicht schwer das Verkehrsmittel zu wechseln, da ich plötzlich pro Monat £120 mehr in der Tasche habe (yes, please!). Und denkt bloß nicht, dass ich mich nun stundenlang quer durch die Stadt abplagen muss. As a matter of fact, mit meinem Fahrrad brauche ich fünf Minuten weniger lang zur Arbeit/nach Hause, ohne dem Stress der rush hour(s) ausgesetzt zu sein! Nebenbei verbrennt mein Körper
täglich über 400 Kilokalorien und befreit sich von der steifen Haltung, in
welche ich ihn durch achstündiges Sitzen gebracht habe. In der Zeit, in der ich
zuvor nutzlos in der Tube herumstand (und zusätzlichen Stress aufbaute), habe ich also meinen täglichen Sport
bereits abgehakt. 50 Minuten des Tages gewonnen! Und auch noch der Umwelt geholfen! Man lobt sich ja selbst viel zu
selten.
Ein
Phänomen, dieses Radfahren. Am schönsten ist es um 6.30 a.m., wenn noch
wenig Verkehr auf den Strassen ist. Die frische Luft weckt Geist und Körper und
die auf der Strasse erforderliche Konzentration bereitet optimal auf den langen
Arbeitstag vor. Das Linksfahren ist übrigens nur eine Sache der Umgewöhnung.
Wer in
London Rad fährt, ist automatisch Teil der sogenannten cycling crew. Gekennzeichnet durch neongelbe Jacken und Schuhe,
schneidige Rennräder und stramme Waden, sieht man die Verrückten verstärkt in
den rush hours vorbei sausen. Gestern war ich das erste Mal auch eine von ihnen. Man fühlt sich wie der unsportlichste Loser, da man ständig überholt wird und
redet sich ein, dass man nach ein paar Wochen viel bessere Kondition aufweisen
wird. Es ist fast wie im Fussballstadion – als Teil einer Masse traue ich mich, was ich als Individuum niemals tun würde. Ich schlängele mich keck hinter der Truppe
zwischen den im Stau steckenden Autos (ha!) durch und fühle mich stark, als ich
mit meiner crew vor den roten Ampeln wieder zusammen treffe (in London gibt es bei
Ampeln netterweise vor den Autos einen grossen Streifen für Radfahrer).
Radfahren in London ist ein anderes Gefühl als in Wien, da die
Strassen aus Platzmangel so eng gebaut wurden, dass man sich ständig vor Autos,
Motorrädern und den furchteinflößenden Doppeldeckerbussen in Acht nehmen muss. Wien hat London voraus, dass es sehr viele gekennzeichnete Wege für Radfahrer gibt, was ich hier an Stellen ein bisschen vermisse. Das Verleihen der bunten City Bikes ist zudem fast gratis, während man sich in London für die zahlende Variante entschieden hat. (Mayor Boris Johnson schaffte es außerdem, sich mit den BORIS BIKES ein Denkmal zu setzen. Hach, die schöne Eitelkeit!)
Ein nicht zu vernachlässigender Faktor beim Radfahren ist der berühmt-berüchtigte englische Regen. Wiens Straßen sind auf beiden Seiten relativ eben, was bedeutet, dass man als Radfahrer nicht ständig durch eine Regenlacke schwimmen muss.
Ein nicht zu vernachlässigender Faktor beim Radfahren ist der berühmt-berüchtigte englische Regen. Wiens Straßen sind auf beiden Seiten relativ eben, was bedeutet, dass man als Radfahrer nicht ständig durch eine Regenlacke schwimmen muss.
Als ich das
erste Mal in die Arbeit strampelte, war ich mir bewusst, dass der durchaus verlässliche
BBC für den Nachmittag Regen prophezeit hatte. Wie stark kann der schon sein, dachte
ich verächtlich und legte mir Omas Weisheit ans Herz, von wegen "du bist ja nicht aus Zucker". Außerdem sagte ich mir, dass ich in Zukunft wegen ein bisschen Regens wohl auch nicht gleich wieder die Tube nehmen könnte. Ich ging das Risiko also ein.
Und die
Moral von der Geschicht ...
... misstraue dem englischen Wetterbericht NICHT. Das ging mir durch
den Kopf, als ich auf meiner Heimfahrt nach fünf Minuten bis auf die Knochen
durchnässt war.
Aber sonst geht's mir gut.
P.S.: Wer gedacht hat, mich in der Menge am World Naked Bike Ride zu sehen, kann lang suchen - andererseits, ich hab ja bis Juni noch Zeit, um mich anzumelden :-P