IX
“The greatest compliment that was ever paid me was when one asked me what I thought,
and attended to my answer.”
and attended to my answer.”
Dieser Sonntag ist der erste Sonntag, den ich richtig
genießen kann. Nicht in meinem Kämmerchen, sondern draußen im echten
unechten London, im schnuckeligen breakfast club oder beim
Spaziergang durch hackney farm und einen von Menschen
überfluteten Blumenmarkt im besonders großspurigen Teil der Stadt.
In einem weiteren Café (paper & cup) kann ich endlich meinem Schreibdrang freien Lauf lassen; abseits von klammen
Fingern und langweiligen weißen Wänden ohne Inspiration; hingegen voll vom
Rattern der Kaffeemaschinen, dem angenehmen Gemurmel der anderen Gäste, der
plätschernden Indie Musik im Hintergrund und den Glasfenstern. Ich liebe den
Platz am Fenster, weil ich so das Leben auf Straße zu mir herein holen kann.
Die Sonne hat sich vorübergehend auf der weißen Kuppel der Kirche an der Shoreditch
High Street niedergelassen; wie ein Kätzchen, das nur kurz an
einem Ort verweilt, sich über den warmen Asphalt wälzt, um dann gelangweilt
weiter zu stolzieren.
Warum dieser Sonntag
anders ist als die bisherigen, liegt vor allem an der Tatsache, dass ich mich bisher viel zu abhängig gemacht habe. Solange
man nur von Menschen umgeben ist, ist man kein Teil dieser Stadt. Man
fühlt sich wie ein outcast, obwohl beinahe niemand wirklich hier
geboren ist. Sobald die Menschen jedoch einen selbst umgeben, vermag man, das
Lebensgefühl zu inhalieren.
Es kommt ja auch sonst kaum vor, dass man sofort
seinen besten Freund kennen lernt. Sogar im Kindergarten gibt es die Regel, dass
man zumindest einmal miteinander einen Turm bauen und ihn einstürzen lassen
muss, um sich als Freunde klassifizieren zu können.
Als Studentin wusste ich gar nicht, wie glücklich ich
mich schätzen konnte. Jemanden kennen zu lernen kann in einer einzigen Stunde
passieren; man trifft sich in Cafés, um Arbeiten zu schreiben, um zu
diskutieren und kommt sogleich auf Persönliches zu sprechen. Und schon ist ein
weiterer Turm eingestürzt. Partys erweitern den Freundeskreis augenblicklich.
Man muss nicht allein sein, wenn man es nicht will. Ach, du liebe quarter
life crisis! Arbeitenden Menschen gelingt der Sozialisierungsprozess
offensichtlich nicht so schnell; vor allem, wenn man auch nicht mehr auf seine
bisherigen Freunde zurückgreifen kann, weil man ja das Land gewechselt hat.
Ein Arbeitsplatz ist eine Ansammlung unterschiedlich
gestimmter Seelen, die sich an einer Wegkreuzung getroffen haben, um in die
gemeinsame Richtung weiterzulaufen. Die jeweiligen Interessen streben
logischerweise meistens auseinander. Ich liebe die Charaktere in einem Büro -
es ist wie eine schlechte Fernsehserie voll von Intrigen, Klatsch und
Tratsch und einer täglichen Modeschau (seltsamerweise beginnt man bald selbst,
elegante Röcke zu tragen und wert auf sein Äußeres zu legen).
Wie will man denn
außerhalb der Arbeitszeit jemanden kennen lernen? (Vor allem wenn die Kollegen
Mittagspausen zu unterschiedlichen Zeiten haben und man sein
mikrowellengewärmtes Essen wiederum in trauter Einsamkeit verzehrt.) Man ist
allein, obwohl man den ganzen Tag von Kunden vollgelabert wird und man ertränkt
die abendliche Leere am liebsten mit Serien auf Netflix und einem Glas Wein.
Und ja, ich besitze nun Geld. Aber Freunde kaufen kann ich mir deshalb auch
keine.
Every day I'm here I'm pushing harder.
Der korpulente ältere Herr neben mir hat gerade mit
großem Genuss seinen Toast verschlungen und dabei kein Fitzelchen an Butter und
Marmelade übrig gelassen. Er grunzt zufrieden und reibt sich die Hände.
Mein Blick wandert wieder hinaus auf die Straße. Der Himmel ist nun strahlend
blau und ich sehe ein Flugzeug, das gerade in den Himmel aufsteigt. Vor ein
paar Monaten hätte ich ihm sehnsüchtig nachgestarrt, hätte mich gerne darin
gesehen; so prätentiös erschien dieser Ort. Plötzlich hat sich meine Situation
geändert. Ich fühle Stolz in mir hochkommen, ein rares Gefühl, das sich seit
Ewigkeiten nicht mehr blicken hat lassen. I have moved on: ich bin endlich an
dem Punkt angekommen, an dem ich meine Freunde wieder selbst wählen kann,
um mir ein soziales Leben aufzubauen.
Hier sitze ich also, auf einem riesigen Spielteppich,
inmitten von bunten Bauklotztürmen, die ich der Reihe nach umstoßen werde. Und
mein guter Gedanke ist: ich werde dies nicht alleine tun.
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