Friday 20 December 2013

A Christmas Carol



VIII


Ausgezehrt.
Zerkratzt. Blutig.
Eingepfercht.
Erblindet.
Gefestigt.
Gestärkt. Gelobt.
Selbsbewusst.
Sozialisiert.



Weihnachten steht bevor.  Leise Rieselt heißt hier wohl Leise Nieselt. Trotz der riesigen Weihnachtsbäume in den Empfangshallen der Büros im Stadtzentrum, der aufdringlichen Jingles in den Kaufhäusern, der reißerischen Angebote für Geschenke und der sogenannten Weihnachtsfeiern (Trinkgelagen) ist das "schönste Fest des Jahres" irgendwo im Nebel zwischen den schottischen Highlands und York hängen geblieben. London hat es (noch) nicht erreicht. Oder vielleicht auch nur mich nicht.

Man beschwört in diesen Momenten Spaziergänge im tiefgefrorenen Wald herauf - die Zweige der Bäume waren ganz weiß und sahen aus wie aus Eis gemeißelt. Eine Schlittenfahrt im Tiefschnee endete mit den lachenden Kindern im Schnee, als das "Pferdchen" plötzlich links abbog. Man stellte noch Teller und Schuhe auf das Fensterbrett, um sie am nächsten Morgen mit Erdnüssen, Mandarinen und Schokolade gefüllt vorzufinden. Und die alten Lieder. Last Christmas hieß damals noch Alle Jahre wieder - und man nahm zwei Stufen auf einmal, um dieses Mal doch noch einen Blick auf das Christkind zu erhaschen.

Die Unschuld und pure Freude scheint mit dem Erwachsenwerden zu schwinden. Wir werden praktisch immun gegen Weihnachten; die Arbeit steht im Vordergrund; und plötzlich ist es schon wieder Ostern und die Kinder sind auch schon zu alt für den Weihnachtsmann. Wir legen uns quer gegen Völlerei, Kekse und lange Weihnachtstage innerhalb der Familie. Nicht schon wieder.

Diese Sicht ändert sich dramatisch, wenn die Familie nicht in der Nähe ist. Wenn die Familie nicht vollständig ist. Wenn die Familie zerstritten ist, oder eine Krankheit ein Familienmitglied bedroht. Aus einer nervtötenden wird eine unabdingliche Notwendigkeit, mit seinen Liebsten zu feiern. Wenn es auch nicht aus religiösen Gründen geschieht, so kann man trotzdem einen beinahe spirituellen Akt der Gemeinschaft und des Zusammenhalts zelebrieren. In anderen Worten: unabhängig zu sein ist ein gutes Gefühl, solange man nicht alle Fäden durchtrennt.


England schenkt mir ein paar sonnendurchflutete Tage, die den grauen Büroalltag erheitern. Die Tage sind viel zu kurz und man ist gezwungen, vom Bett in die Nacht ins Büro in die Nacht ins Bett zu wandeln. Ich warte wie ein Kind auf die Dose mit den fein verzierten und wunderbar duftenden Keksen von Zuhause und freue mich bei Ihrer Ankunft wie damals über die Geschenke vom Christkind. 

Morgen werden Dan und ich zum ersten Mal Carol-Singen in einem englischen Dörflein gehen. Das dürfte wohl doch ein bisschen Weihnachtsstimmung aufbringen. 

Ich wünsche euch allen eine wunderbare Weihnachtszeit mit euren Lieben. Wenn ich auch nicht bei meiner Familie sein kann, bin ich froh dass ich auch hier eine Familie habe, die mich ins Herz geschlossen hat.