Tuesday 24 February 2015

Are you having a laugh?


XVIII


"I’m not from these parts. I'm from a little place called England – 
we used to run the world before you lot." 

Ricky Gervais at the Golden Globes




© L.Courtney 


Erst vor kurzem wurde mir bewusst, wie überfällig dieser Eintrag ist. Bevor ich nach London kam, hatte ich keinen blassen Schimmer, wie sehr unsere generelle Einstellung und unser Denken von der jeweiligen Kultur abhängen. Das gleiche traf auch auf den Humor zu, der uns zu dem macht, wer wir sind und wie wir uns, andere und das Leben sehen. Dabei wurde ich in London nicht gerade, wie man hier sagt, ins tiefe Ende des Wassers gestoßen, sondern musste bereits in Wien in den bitteren Marmite-Toast des britischen Humors beißen. Um ehrlich zu sein, habe ich mich jedoch in ihn verliebt und diese Liebe hat sich hier nur noch verstärkt.


Der folgende Blogeintrag soll also dazu dienen, dem berühmt-berüchtigten British humour einen Spiegel vorzuhalten, um den Nicht-Briten unter euch eine Überraschung zu ersparen. Dabei mӧchte ich zunӓchst einmal ein paar Regeln vorstellen, die im humorvollen Umgang mit den teeschlürfenden Insulanern unbedingt zu beachten sind, um Zusammenstöße und Missverständnisse zu vermeiden. Ansonsten könnte man durchaus vermuten, das britische Gegenüber sei entweder stupide oder zutiefst böse. Ihr beginnt wohl zu erahnen, warum man den britschen schwarzen Humor nennt.

  1. Briten werden oft versuchen, sich selbst abzuwerten oder lächerlich zu machen.
  2. Briten machen Witze über Dinge, Personen oder Themen, über die man eigentlich nicht scherzen sollte.
  3. Wenn man Briten nach der ehrlichen Meinung fragt, wird man nie erfahren, was sie wirklich denken.
  4. Der Humor der Briten ist mit Wortspielen durchsetzt und meistens komplexer, improvisierter und spontaner, als vermutet.
  5. Briten werfen anderen Beschimpfungen und Beleidigungen an den Kopf.


Stop! ruft ihr. Wann, fragt ihr, haben denn die Briten gelernt, so gehässig und pessimistisch zu sein? Hatten wir in Österreich nicht immer das Bild des Gentlemans, jenes der feinen Dame, im Kopf? Eine übertrieben höfliche und zuvorkommende Gestalt? Ich werde euch keine Illusion nehmen: diese Fassade existiert wirklich, aber es ist, wie gesagt, nur eine Fassade. Die Höflichkeit maskiert nur den offiziellen Auftritt. Briten haben gelernt, besser keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen (und sind daher die besten Kundenbetreuer).


Bei engerem Kontakt legen sie jedoch diese Maske ab; manche früher, andere später; und dann lernt man endlich ihren feinen Humor kennen. Wenn man sich darauf einlässt, kann man sogar bald in ihrem Spiel mitmachen (was sie ungemein freuen wird!). Denn genau das ist es: ein Spiel, das etwas Spannendes und gleichzeitig Entspannendes an sich hat; etwas sehr Menschliches und Gemütliches.


Wie reagiert man nun als Nicht-Brite auf diesen Humor? Hier ist eine Anleitung dazu, wie man sich Briten gegenüber verhalten sollte, wenn sie augenscheinlich verrückt spielen, bzw. wie man ihren Humor erkennen und interpretieren kann.



Ad 1. Wie man sich selbst verarscht und dabei trotzdem gut dasteht


Wenn Briten sich selbst niedermachen, soll dies auf keinen Fall ein Anlass dazu sein, sie zu bemitleiden. Die richtige Methode liegt darin, sie in ihrem falschen Pessimismus anzufeuern und in ihrer Lächerlichkeit zu bestätigen. Hierin liegt nämlich der Humor! Wo steht geschrieben, dass man das Leben immer ernst nehmen soll? Wäre es nicht viel schöner, wenn wir über unsere Schwächen und Unzulänglichkeiten gemeinsam lachen, anstatt daran zu verzweifeln? Angeblich hilft dieser Humor Briten, ihre Partner zu finden: wer ihn drauf hat, kommt lockerer, selbstbewusster rüber. Dies ist jedoch einfacher gesagt, als getan!

Um an diesen Punkt zu gelangen, musste ich mich zuerst einmal geistig verbiegen - fast wie bei einer Yoga Stellung; musste in so vielen Hinsichten über meine rigiden, kulturell verketteten Hemmschwellen klettern. Es ist ungewohntes Terrain für jemanden, der immer versucht hat, korrekt zu sein. Beim self-deprecating humour spielen viele Faktoren mit, wie beispielsweise der Charakter der Beteiltigten und der Kontext der Situation. Die folgenden Beispiele illustrieren das hoffentlich:



  • "I always wanted to be somebody, but now I realise I should have been more specific." (John Cleese)
  • “I’m in shape. Round is a shape, right?”

Und wenn ihr denkt, ihr habt es endlich geschnallt, entdeckt ihr plötzlich, dass diese Art von Humor auch andersrum funktioniert: ein großartiges Beispiel von Selbstbeweihräucherung stammt von einem der wunderbarsten englischen Dichter, nämlich Oscar Wilde:

  • “I am so clever that sometimes I don't understand a single word of what I am saying.”


Ad 2. In jedem Briten steckt ein kleiner Borat

Dies ist wiederum ein Hinweis auf die verkrampfte Haltung, die im deutschsprachigen Raum oft eingenommen wird (obwohl wir uns damit brüsten, unglaublich offen und liberal zu sein!) Habe ich in meinem Text auch wirklich gegendert? War alles, was ich gerade von mir gegeben habe, politisch korrekt? Habe ich auch garantiert niemanden beleidigt? Und das Endresultat heißt Paranoia, so weit das Auge reicht.

Briten sehen diese Dinge weniger engstirnig: Bilder werden grob verzerrt, niemand und nichts wird verschont. Wie sonst, frage ich mich, kann man über einen Charlie Chaplin in Der große Diktator lachen? Wie sonst bleibt man in einer Welt wie dieser, in der Katastrophe auf Disaster und Krieg auf politische Unruhe folgt, psychisch halbwegs stabil? Das Ziel bei dieser Art von Humor liegt darin, zu zeigen, wie lächerlich diese Dinge sind, wie das Leben selbst doch eigentlich ein ausgekochter Wahnsinn ist.

Ein populärer zeitgenössischer Brite, der diesen Humor übrigens exzellent beherrscht, ist natürlich Sacha Baron Cohen. Als Borat, Bruno, The Dictator u.ӓ. Unholde zieht er munter Konfessionen, Nationen und Traditionen durch den Sand; lӓstert über sexuelle Orientierung genauso wie über den Irrsinn der Politik - kurz: er lässt kein Haar ungekrümmt.

Verständlicherweise wird es immer Menschen geben, die sich dagegen wehren und wie uns vor kurzem ein gewisser Vorfall in Frankreich gezeigt hat, sind wir keineswegs in einer Welt angekommen, in der Redefreiheit selbstverständlich ist. Im Gegenteil, diese Art von Humor kann extrem gefährlich werden und sollte daher nur entweder von comedians oder unter Freunden gebraucht werden.


Ad 3. Sehe ich in diesem Kleid dick aus?


Zugegeben ist dieser Punkt nicht unbedingt ein britisches Phänomen, sondern eher ein geschlechterspezifisches. Dennoch wollte ich es erwähnen, da es mir erst hier in England besonders aufgefallen ist. Wenn ich meinen englischen Partner nach seiner Meinung frage, was mein Aussehen betrifft (und wir Frauen suchen ja ständig Bestätigung; man nehme z.B. die berühmt-berüchtigte Frage "Sehe ich in diesem Kleid dick aus?"), werde ich garantiert nie zur Antwort erhalten, "Oh darling, don't be ridiculous, you look absolutely stunning!", sondern eher etwas wie "Well, fat is a strong word..." (Dick ist vielleicht ein bisschen übertrieben)



Ich erinnere mich daran, wie mein Partner diese Art Humor kurz nach unserem Kennenlernen an meiner Kusine ausprobierte (und noch dazu in Deutsch!). Für einen Moment dachte ich, sie würde ihm eine verpassen - ich konnte das Schlimmste grade noch verhindern. Seitdem warne ich Nicht-Briten schon einmal im Vorhinein, wenn sie das erste Mal mit ihm in Kontakt kommen, ihn doch bitte nicht zu ernst zu nehmen!


Zur Verteidigung der britischen Männer muss ich dann aber doch sagen, dass sie sehr wohl unglaublich charming sein können. Überhaupt bin ich der Meinung, dass Männer es uns sowieso sagen (oder eher zeigen), wenn sie uns attraktiv finden, ohne dass wir ihnen eine aufgesetzte Antwort entlocken müssen. Der beißende Humor weist wiederum auf diese Lächerlichkeit hin: auf die menschliche Sucht nach Anerkennung und Bestätigung.

Britische Frauen sind in dieser Hinsicht weniger humorvoll und sogar steifer, wenn auch empathischer (es sei denn, die Kommunikationspartner kennen sich so gut, dass sie die Wahrheit vertragen können). So heißt es dann: Das neue Kleid ist AMAZING, du siehst WONDERFUL aus; aber nein, die Hose passt dir REALLY WELL! Klar, wir Frauen wollen Gefühle nicht verletzen, sondern vielleicht den anderen jene Anerkennung schenken, die wir von den Männern nicht bekommen. Trotzdem bin ich allen Frauen dankbar, die mir nicht ins Gesicht lügen und mich darauf hinweisen, dass mein Augen Make-up komplett verschmiert ist.



Ad 4. Schalt das Hirn ein!


Oh, das Wortspiel! Oft wünschte ich, der spontane, geistige Witz wäre auch im deutschsprachigen Humor mehr vertreten. Hatten wir nicht einmal die besten Philosophen der Welt, wie Kant und Nietzsche? Andererseits haben sich diese Herren vielleicht weniger mit Humor und zu viel mit Gott und dem Ernst des Lebens beschäftigt. Wiederum haben die Briten also Recht: weniger Seriosität an den Tag zu legen schadet nicht; noch besser ist hingegen, wenn man der allgemeinen Tristesse ein bisschen geistige Würze verpasst! Es geht bei dieser Art von Humor vor allem darum, Assoziationen zwischen den Wörtern zu kreieren und das Gegenüber anzuspornen, sogar noch bessere Wortspiele zu gewissen Themen su finden. Hier sind ein paar davon:



  • “My pencil keeps breaking every time I sharpen it, I’m giving up now, it’s pointless.”
  • “I used to eat doughnuts every single day, but then I got tired of the hole thing.”
  • “I always wanted to learn how to juggle, but I just don’t have the balls to do it.”
  • “My desire to be a dermatologist was only skin deep.”



Die wenigsten Österreicher kennen übrigens Rowan Atkinson in seiner Paraderolle Blackadder. In dieser lustigen Serie wendet er seine ganze clevere, wortspielerische Kraft an, die beim Slapstick in Mr Bean natürlich nie zum Ausdruck kam. Hier merkt man, dass der vermeintliche Dodel Atkinson an der Oxford University studiert hat. Während wir also bei Mr Bean über den Clown/den Idioten lachen und uns dabei zurück lehnen, zielen Blackadder und viele andere britische Komödien darauf ab, durch Wortwitz und Improvisation auch an unsere anderen Gehirnzellen anzudocken und somit eine feinere, viel tieferliegende und wertvollere Schicht an Humor freizulegen. John Cleese in Fawlty Towers und Ricky Gervais in The Office sind ebenfalls Meister ihres Faches. Give them a try - ihr werdet es nicht bereuen.



Ad 5. Wie-du-mir-so-ich-dir


Nun kommen wir zur letzten und vielleicht wichtigsten Art von Humor. Wiederum ist diese Art von Humor sehr spontan, hat viel mit Improvisation und Schlagfertigkeit zu tun. Beleidigungen sollten von beiden Seiten im Normalfall nicht ernst genommen, sondern mit gleicher Kraft erwidert werden: das Wort für dieses humorvolle Spiel ist banter. In Wien würde man wahrscheinlich sekkieren dazu sagen, wobei dies auch nicht ganz zutrifft, da ja im Normalfall nur eine Person sekkiert wird, wӓhrend sich beim banter die Kommunikationspartner gegenseitig attackieren. Man beachte meine tolle Grafik:




sekkieren:                           1 Angreifer >>> 1 Opfer
banter:                  1 Angreifer (Opfer) >><< 1 Angreifer (Opfer)



Ein ewiges Hin-und-Her; ein Sich-Gegenseitig-Aufstacheln also, das durchaus Flirtpotential hat. Angeblich sind Frauen, die sich mit Mӓnnern bantern, heiß begehrt, da sie selbstbewusst wirken. Personen, die sich weigern beim banter mitzumachen, werden sich übrigens unausweichlich als Ausländer denunzieren. Das Spiel ist in beinahe jeder Situation möglich; in subtiler Art und Weise kann man sogar mit den Chefitäten diesen Spaß treiben (die britischen Manager haben meist den besten Humor von allen!)



Banter ist auch ein weiterer Grund, warum mein Partner Dan oftmals in Schwierigkeiten kommt, wenn er mit Nicht-Briten zu tun hat. In einem Hostel in Budapest zeigte er auf einen Whirlpool im Zimmer (den man ja nicht jeden Tag in einem Hostel findet!) und sagte zu seinem (männlichen) österreichischen Studienkollegen: "Oh look, that's for us later on!" Der Kollege blickte ihn unglaublich schockiert an, meinte: "Dan, I'm not gay!", offensichtlich irritiert und beleidigt und widmete ihn dann keines weiteren Blickes. Laut Dan hätte die korrekte Antwort auf seinen banter Versuch gelautet: "Sounds amazing, I'll buy the candles and bubble bath!"



***


Zum Abschluss lautet also mein Fazit: Der weltbekannte britische Humor ist weniger schwarz als tatsӓchlich vermutet. Zu Beginn mag es vielleicht so wirken, dass the British hundsgemeine, pessimistische und unsensible Gestalten sind; kratzt man jedoch an der Oberflӓche, indem man sich mit den Insulanern befreundet und sich auf ihren Humor einlӓsst, wird man sein Glück kaum fassen kӧnnen. 

Also, vielen Dank an euch brave Leser, dass ihr bis zum Ende durchgehalten habt, denn, wie Dan gerade sagt: "If they've made it this far, they've done bloody well."